10.01.2014, 21:50 Uhr

Teichwirtschaft

Die im Mittelalter entwickelte Bewirtschaftungsform lebt an den Lohmarer Wald-Teichen fort..

Teichanlage im NSG Gierssiefen, Bennerscheider Teichkette genannt
© Holger Sticht
Ralf Schneider weist in seinem Aufsatz "Lebendige Zeugen einer alten Kulturlandschaft - Anmerkungen zu den Weihern im Revier Aulgasse" darauf hin, dass die Anlage von Stauteichen zwecks Teichwirtschaft im Siegburger und Lohmarer Raum v.a. eine Folgenutzung des Torf- und des Tonabbaus durch die Bevölkerung gewesen sein dürfte. Tatsächlich ist Siegburg bis heute wegen seiner frühneuzeitlichen Töpfereien populär, die im ehemaligen Stadtteil Aulgasse - als Strasse bis heute existent - lagen.

Möglicherweise waren es also gar nicht die Mönche der Abtei auf dem Vulkanrest Michaelsberg, die den Impuls zu den Teichanlagen gaben, sondern "Otto Normalverbraucher" oder eine Handwerkszunft bzw. die wachsende Nachfrage nach - für jedermann erschwinglichem - Fisch. So stammt die erste urkundliche Erwähnung eines Siegburger Teiches aus dem Jahre 1338, eines Lohmarer Teiches von 1489. Der erste Beleg einer Neuanlage eines Teiches durch die Siegburger Abtei stammt erst aus dem 16. Jahrhundert. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass viele Quellen verloren gegangen bzw. noch nicht aufbereitet sind.

preußische Uraufnahme 1845
© Bezirksregierung Köln
Interessant ist immerhin, dass die Liste der weltlichen Bediensteten der Abtei u.a. Gärtner und Winzer (der Michaelsberg war bis 1829 ein Weinberg) aufwies, nicht aber den Beruf des "Teichmeisters", so wie bei anderen großteichbesitzern (u.a. Kurfürsten von Sachsen). Dennoch dürfte die Abtei als phasenweise größter Teicheigentümer den "Boom" der Teichwirtschaft wesentlich zu verantworten haben.

Einst gab es nicht nur im Lohmarer Wald, sondern auch im Bereich der heutigen Stadt Siegburg viel mehr Teiche. Die preußische Uraufnahme von 1845 zeigt noch etwa 170 Teiche, obwohl zum Zeitpunkt der Kartenaufnahme der Zenith der Teichwirtschaft bereits längst überschritten war. Es könnte also noch früher noch mehr Teiche gegeben haben. Diese Stauteiche bzw. ihre ehemaligen Standorte wurden in Siegburg im 20. Jahrhundert im Zuge der Siedlungsausdehnung überbaut. Aber im Lohmarer Wald, der glücklicherweise nur stellenweise und randlich bebaut wurde, finden sich jenseits der bis heute existenten etwa 40 Teiche Zeugnisse früherer Anlagen.

Graureiher und Nilgans an Fisch-Fütterungsanlage
© Holger Sticht
Der vorläufige Niedergang der Teichwirtschaft wurde wohl durch Krieg und Kriegsfolgen und eine entsprechende Verelendung der Bevölkerung eingeleitet, die eine geregelte Bewirtschaftung nicht mehr zuließen. Die neuen "Herren" ab 1815, die Preußen, hatten zudem nur Interesse an Aufforstungen und der dafür notwendigen Drainage der Sümpfe und Moore.

Der Knock-out kam aber durch eine angebliche Malaria-Epidemie und die damit einhergehende Hysterie. Oberförster Kleinschmidt ließ von 1849 bis 1859 nahezu sämtliche Teiche trockenlegen, um der vermeintlichen Wurzel des Übels den Garaus zu machen. Die eigentliche Ursache war mangelnde Hygiene, egal ob es Cholera, Fleck-, Wechsel- oder Sumpffieber war - teilweise unterschiedliche Krankheiten mit unterschiedlichen Überträgern, die man damals noch nicht unterscheiden konnte und über deren Ursachen man nichts Genaues wusste. Jedenfalls leben Lohmarer und Siegburger heute und seit über hundert Jahren in Eintracht mit der Mückenart Anopheles messeae, die Malaria-Erreger übertragen kann und in Mitteleuropa seit Jahrtausenden Stillgewässer zur Fortpflanzung nutzt. So war es damals wohl eher die Aufwertung der Lebensverhältnisse im preußischen Staat, die dem Oberförster Erfolg und Denkmal einbrachten. Letzteres steht bis heute an der Niederterrassenkante der Agger im westlichen Widdauer Wald, der heute zum Naturschutzgebiet Wahner Heide zählt. Ein Denkmal für die Zerstörung der Lebensgrundlagen vieler Einheimischer und Zerstörung wertvoller Lebensräume. Mit dem heutigen Abstand auch ein Beispiel dafür, dass Bildung durchaus Sinn macht.

Schild-Wasserhahnenfuss-Teppiche auf abgelassenem Teich
© Holger Sticht
Umso bemerkenswerter ist, dass es einer der Nachfolger von Oberförster Kleinschmidt war, der einen Teil der Teiche von 1899 bis 1903 wiederherstellen ließ - zwecks Prävention gegen Waldbrände. Das war die Wiedergeburt der Teichwirtschaft, die seit 1906 - nunmehr in vierter Generation - durch die Familie Pilgram betrieben wird.

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